Die Gewerkschaften GEW und ver.di haben die studentischen Beschäftigten der Berliner Hochschulen zum Warnstreik aufgerufen. Das ist eine besondere Situation, die viele Fragen aufwirft.
Auf die wichtigsten gehen wir hier ein:
Was ist ein Warnstreik?
Ein Warnstreik ist eine zeitlich befristete Arbeitsniederlegung, um Druck auf die Arbeitgeber*innen in laufenden Tarifverhandlungen auszuüben. Warnstreiks sind nur zulässig, wenn die sog. Friedenspflicht beendet ist. In unserem Fall haben GEW und ver.di den TV Stud II zu Ende 2017 gekündigt. Ab Januar 2018 besteht also keine Friedenspflicht mehr.
Wann darf ich streiken?
Die Teilnahme an einem Streik setzt voraus, dass die beteiligten Gewerkschaften einen offiziellen Streikaufruf mit den genauen zeitlichen Daten veröffentlicht haben. In dem Streikaufruf ist konkret aufgeführt, welche Beschäftigten aufgerufen werden. Nur diese dürfen an dem Streik teilnehmen.
Wer darf streiken?
Streik ist ein verfassungsrechtlich geschütztes Grundrecht (Artikel 9, Absatz 3 Grundgesetz). An einem Streik dürfen auch Beschäftigte teilnehmen, die nicht den zum Streik aufrufenden Gewerkschaften (hier GEW und ver.di) angehören. Sollten die Arbeitgeber*innen nach dem Streik für diese Zeit das Gehalt abziehen (was sie dürfen – siehe unten), erhalten aber nur die Mitglieder der zum Streik aufrufenden Gewerkschaften Streikgeld von ihrer Gewerkschaft. Nichtmitglieder bekommen keine Streikunterstützung.
Um den Arbeitskampf zu unterstützten, der schließlich auch Deine Arbeitsbedingungen verbessern soll, solltest Du an einem Streikaufruf teilnehmen und Deine Arbeit als studentische*r Beschäftigte*r niederlegen – ganz gleich ob Du in einer Gewerkschaft bist oder nicht. Überzeug auch Deine studentischen Freund*innen und Bekannte zu kommen und sich solidarisch mit uns zu zeigen. Unsere Arbeitsbedingungen sind ihre
Studienbedingungen!
Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Verletzung des Arbeitsvertrages dar. Maßregelungen (Ermahnung, Abmahnung oder Kündigung) durch den Arbeitgeber wegen der Teilnahme an einem Streik sind nicht zulässig. Nach Ende des Streiks besteht ein Anspruch auf Weiterbeschäftigung. Während des Streiks ruht das Arbeitsverhältnis. Die Arbeitnehmer*innen brauchen keine Arbeitsleistung zu erbringen. Ein Anspruch auf Arbeitsentgelt besteht für die Dauer des Streiks nicht.
Ich bin noch in der Probezeit. Kann ich dennoch streiken?
Das Streikrecht gilt auch während der Probezeit uneingeschränkt und auch hier dürfen die Arbeitgeber*innen wegen der Streikteilnahme keine arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegen Dich ergreifen, erst recht keine Kündigung aussprechen. Das Problem ist, dass eine Kündigung während der Probezeit nicht begründet werden muss und es damit schwierig wird, nachzuweisen, dass der Streik der eigentliche Grund war. Insofern ist etwas mehr Vorsicht in diesem Fall keine schlechte Idee. Hilfreich ist es, wenn viele aus Deinem Arbeitsbereich am Streik teilnehmen. Dann ist es weit weniger wahrscheinlich, dass Du als Einzelne*r in den Blickpunkt gerätst.
Wichtig ist: Wenn Du bereits mehrere Verträge hintereinander bei der gleichen Hochschule hattest, dann greift der Kündigungsschutz trotzdem nach Ablauf des 6. Beschäftigungsmonats, unabhängig davon, ob in den neuen Verträgen jeweils wieder eine Probezeit vereinbart wurde. Die erleichterte Kündigung ohne Begründung ist dann nicht mehr möglich.
Muss ich mich zum Streik abmelden?
Nein. Das wäre auch nicht sinnvoll. Schließlich soll der Streik Druck auf die Arbeitgeber*innen ausüben. Dieser Druck ist geringer, wenn sie sich vorher auf den Streik einstellen und ggf. Streikbruch organisieren können. Wenn Du vorher, z. B. von Vorgesetzten gefragt wirst, ob Du an dem Streik teilnehmen wirst, musst Du das nicht beantworten bzw. kannst ausweichend antworten.
Gleichwohl solltest Du mit Deine*n Vorgesetzte*n über die Ziele der Tarifauseinandersetzung sprechen und sie um solidarische Unterstützung bitten. Seit Anfang 2017 gab es in fünf Verhandlungsrunden kein akzeptables Angebot der Hochschulen. Du kannst Deine Vorgesetzten darauf hinweisen, dass ihr als studentische Beschäftigte seit fast 17 Jahren keine Lohnerhöhung hattet, kein Weihnachtsgeld bekommt und weiter von der Lohnentwicklung der hauptberuflich Beschäftigten abgekoppelt sein sollt.
Muss ich Weisungen von Vorgesetzten befolgen? Dürfen mir Vorgesetzte die Streikteilnahme verbieten?
Nein, das ist nicht erlaubt. Wer im Streik seine Arbeit niederlegt, ist nicht an Weisungen von Arbeitgeber*innen gebunden. Deine Vorgesetzten können Dir auch nicht drohen, Dich abzumahnen oder Dir zu kündigen, weil Du streiken willst. Sie dürfen Dich auch nicht dazu auffordern, die Zeit nachzuarbeiten.
Darf ich andere Kolleg*innen (studentische Beschäftigte) auffordern mit zu streiken?
Ja – das solltest Du unbedingt tun! Je mehr Beschäftigte sich am Streik beteiligen, desto größer ist seine Wirkung. Die Hochschulen werden sich in den festgefahren Tarifverhandlungen nur bewegen, wenn wir viele auf der Straße sind. Der Streik ist unser einziges Druckmittel.
Wie wird gestreikt?
Ein Streik findet nicht zu Hause oder in sozialen Medien statt. Physische Anwesenheit ist gefragt. Es muss gegenüber den Arbeitgeber*innen und der Öffentlichkeit sichtbar sein, dass sich viele an dem Streik beteiligen. Kommt daher zu den zentralen Streik-Kundgebungen und schaut, welche dezentralen Treffpunkte an eurer Hochschule organisiert werden.
Wie streike ich, wenn ich keine festen Arbeitszeiten bzw. Arbeitstage habe?
Wenn Du relativ flexibel selbst entscheiden kannst, an welchen Tagen und zu welchen Zeiten Du Deine Arbeitsleistung erbringst, kannst Du das natürlich auch an den Tagen machen, an denen zum Streik aufgerufen wird. Der Streiktag oder die Streiktage sind dann Deine Arbeitstage. Wenn Dir niemand vorschreibt, wann Du z. B. Aufgaben für Deine Tutand*innen zu korrigieren hast, dann ist es Deine Entscheidung, wie viel von der Korrektur liegenbleibt, weil Du sie eben gerade für jenen Tag einplanst, für den Du zum Streik aufgerufen wirst.
Was ist, wenn ich am Streiktag nicht regulär arbeite?
Wenn Deine Arbeitstage (z. B. in einem Dienstplan) festgelegt sind und Du am Streiktag nicht regulär arbeitest, kannst Du natürlich nicht streiken bzw. Deine Arbeit an dem Tag niederlegen. Wichtig ist aber, dass Du den Streik trotzdem unterstützt und Dich an den Aktionen und zentralen Kundgebungen / Demos beteiligst. Entscheidend für die Wirksamkeit des Streiks ist seine öffentliche Sichtbarkeit.
Wenn ich streike, fällt ja mein Tutorium aus. Ich möchte meine Studierenden nicht im Stich lassen. Wie gehe ich damit um?
Wenn Beschäftigte in öffentlichen Einrichtungen (z. B. Bildungseinrichtungen) streiken, sind davon immer auch Eltern, Kinder und bei euch Mitstudierende betroffen. Wichtig ist aber, dass der Druck, der dadurch entsteht, nach oben an den Arbeitgeber weitergegeben wird.
Sprich mit Deinen Studierenden über die Ziele und den Stand der Tarifkampagne. Bitte sie um solidarische Unterstützung und darum, dass sie ihren Unmut an die Hochschulleitungen weitergeben (z. B. durch Beschwerdemails mit der Aufforderung, dass die Hochschulen endlich ein besseres Angebot für die studentischen Beschäftigten vorlegen). Vom Erfolg des Arbeitskampfes profitieren alle Studierenden! Die Anzahl der Studierenden, die Du pro Tutorium betreust, hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. In einigen Fächern herrscht ein großer Engpass an Tutor*innen. Stellen bleiben unbesetzt, weil viele Studierende sich von der Uni als Arbeitgeberin abwenden, da sie woanders mehr Geld verdienen, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren, obwohl sie gerne als Tutor*in gearbeitet hätten.
Muss ich meine Arbeitsaufgaben nachholen, die beim Streik liegen geblieben sind?
Nein. Es würde auch dem Streik widersprechen, wenn die Arbeit trotzdem wie bisher erledigt wird. Der Streik wäre so nicht spürbar für die Arbeitgeber*innen. Auch die Anweisung von Überstunden wegen der Teilnahme am Streik ist rechtswidrig.
Darf der Arbeitgeber mein Gehalt wegen der Streikteilnahme kürzen?
Ja, das darf er, weil Du bei einem Streik keine Arbeitsleistung mehr erbringst. In der Praxis erfolgt ein solcher Gehaltsabzug aus verwaltungstechnischen Gründen i.d.R. erst Monate nach dem Streik. Die Hochschulen dürfen als Arbeitgeberinnen zu diesem Zweck nach (!) dem Streik auch erfassen lassen, wer sich daran beteiligt hat.
Bekomme ich dafür Streikgeld und wie hoch ist das?
Die Mitglieder der zum Streik aufrufenden Gewerkschaften (hier GEW und ver.di) erhalten Streikgeld.
In der GEW wird Streikgeld gewährt, wenn der Gehaltsabzug nachgewiesen wird (i.d.R. durch Kopie des entsprechenden Gehaltsnachweises, aus dem der Abzug hervorgeht). Die Höhe des Streikgeldes pro Streiktag beträgt in der GEW das Dreifache des monatlichen Mitgliedsbeitrages, zusätzlich 5 Euro für jedes unterhaltsberechtigte Kind. Es kann aber auch der nachgewiesene Netto-Gehaltsabzug ersetzt werden. Schicke dafür den Entgeltnachweis, aus dem der Gehaltsabzug wegen des Streiks hervorgeht, per Mail an info@gew-berlin.de und bitte um die Auszahlung des Streikgelds für die entsprechenden Tage.
Ver.di hat für den TVStud-Streik ein erhöhtes Streikgeld beschlossen, das für alle Streikenden mit bis zu 80-Monatssstunden den streikbedingten Abzug weitestgehend ausgleicht. Auch bei ver.di gibt es Zulagen für kindergeldberechtigte Kinder. Gezahlt wird, sobald die Hochschule die Abzüge vornimmt. Ein Nachweis ist nicht erforderlich. Wichtig: Die Auszahlung erfolgt nach Streikwochen, also wundert euch nicht, wenn zunächst nur einen Teil ankommt. Die Kalenderwochen werden nach und nach bearbeitet. Bis Mitte März sollte alles aus der bisherigen Streikphase erledigt sein. (Stand 20.02.18)
Voraussetzung für die Zahlung des Streikgeldes ist, dass man sich in die Streiklisten eingetragen hat. Wenn zentrale Kundgebungen am Streiktag stattfinden, liegen die Streiklisten bei diesen Kundgebungen aus. Ansonsten werden die Gewerkschaftsmitglieder jeweils gesondert informiert, wo und wann sie sich in die Streiklisten eintragen können.
Streikunterstützungen sind steuer- und sozialabgabenfrei.
Lohnt es sich noch, in die Gewerkschaft einzutreten, wenn der Streik unmittelbar bevorsteht?
Ja, denn die Gewerkschaften können nur mit vielen Mitgliedern in dem jeweiligen Beschäftigtenbereich auch etwas durchsetzen. Streikgeld wird in der GEW auch gezahlt, wenn man spätestens mit Streikbeginn in die GEW eintritt. Das gilt natürlich nicht, wenn man nach dem Streik schnell wieder austritt.
Auch bei ver.di kann man bei Streikbeginn noch Streikgeld erhalten, indem man zum ersten des vorangegangenen Monats nachträglich beitritt (zum 1. Dezember)
Kann ich meinen vorher genehmigten Urlaub auch während des Streiks nehmen?
Ja, aber Arbeitgeber*innen können einen Urlaubsantrag wegen des Streiks ablehnen.
Was ist mit dem Versicherungsschutz?
Für die in der gesetzlichen Krankenkasse Pflichtversicherten (also z.B. studentische Pflichtversicherung), die an einem Arbeitskampf teilnehmen, besteht ohne zeitliche Begrenzung die Mitgliedschaft bis zur Beendigung des Arbeitskampfes ohne Beitragszahlung fort. Freiwillig Versicherte (in der privaten oder gesetzlichen Versicherung) müssen dagegen nach wie vor Beiträge entrichten.
Familienversicherte bleiben weiter beitragsfrei familienversichert.
Für die Rente werden während eines Streiks keine Beiträge gezahlt. Jedoch zählt jeder Kalendermonat, der wenigstens teilweise mit rentenrechtlichen Zeiten belegt ist, als rentenrechtliche Zeit. Deshalb mindert erst eine Streikteilnahme, die einen vollen Kalendermonat oder länger andauert, die rentenrechtlichen Zeiten.
Im Falle eines Unfalls während des Streiks ist man nicht gesetzlich unfallversichert. Aber es besteht wie bei einem Freizeitunfall Anspruch auf Übernahme der Heilbehandlungskosten durch die Krankenversicherung.
Was ist, wenn ich während eines Streiks krank werde?
Streikende haben bei Erkrankung während des Streiks keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung seitens der Arbeitgeber*innen. Wer während eines Urlaubs, der vor Beginn des Streiks gewährt wird, erkrankt, erhält die Lohnfortzahlung, solange er/sie sich nicht am Streik beteiligt.
Wer arbeitsunfähig erkrankt und nicht am Streik beteiligt ist, hat Anspruch auf Lohnfortzahlung, wenn er / sie trotz des Streiks hätte beschäftigt werden können.
An wen kann ich mich wenden, wenn ich weitere Frage habe?
GEW-Mitglieder können sich an den Vorstandsbereich Angestellten-, Beamten- und Tarifpolitik der GEW BERLIN wenden:
E-Mail: vbba@gew-berlin.de
Tel. 219993-58 oder -41
und an den Vorstandsbereich Hochschulen der GEW BERLIN:
wissenschaft@gew-berlin.de
Tel. 219993-59
Sekretariat GEW BERLIN: info@gew-berlin.de und Tel. 219993-0
ver.di-Mitglieder wenden sich an den Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung Berlin-Brandenburg:
E-Mail: dagmar.sommerfeld@verdi.de
Tel.: 88 66 – 53 03
 
Hier findet ihr auch alle Fragen und Antworten als PDF zum Ausdrucken und Verteilen. (Stand: 10.01.18)